MORE HERZBAHN

Herzbahn: Literatur als »road to heaven«, jedenfalls auf Erden; obwohl die Musik, wie schon in Becketts Hörspiel Words And Music nicht nur das letzte »Wort« hat, sondern auch zuerst da ist und übrig­bleiben wird, uns überleben wird? - als Sphären­klang, als Natur­symphonie, die den Abgang der Gattung Mensch gleichmütig protokolliert? Und vielleicht kann sie die Andeutung der Gedanken­losigkeit - so etwas wie Schwere­losigkeit? -, das Momenthafte in diesen Prosa­texten fort­spinnen und wirklich zu einem Ge­dan­ken werden, nicht zu tief für Tränen, doch fürs Denken selbst.*

Ein recht zähes Ringen gab es um die Titel und mit ihnen. Einige Stücke, wie Zwerge - ganz gross oder Kammer­spiel sind älteren Datums, sie sind schon mit Titeln versehen gewesen, andere, wie Herzbahn und Winter­märchen, sind neu. Es stellte sich die Frage , ob die Literatur die Titel vorgibt oder ob die Musik so bei sich und/oder selbständig bleibt, daß sie selbst für Titel sorgen sollte. Die Tatsache, daß, insbesondere bei Charms, die Texte selbst keinen Titel besitzen, wies in die Richtung, sich für eigen­ständige, für »Musik«-Titel zu ent­scheiden. Den Ausschlag gegeben hat aber die Überlegung, daß in diesem speziellen Fall der Annäherung von Text und Musik die Musik so dominant bleibt, daß auch der Titel aus ihr erwachsen sollte. Denn die Musik dient dem Text nicht, sondern verweigert sich a priori der Mimikry. Deutlich wird das ja schon an der Äu­ßerlichkeit, daß die Texte allein zeitlich sehr wenig Raum ein­nehmen. Man könnte daher fast sagen, daß umgekehrt die Texte die Musik anreichern, in eine oder mehrere Richtungen lenken. Nichts­desto­weniger handelt es sich um den zögerlichen Versuch, die Musik frei zu belassen, selbst wenn sie in einen funktionalen Kontext eintritt, wo doch sonst meist dem ewig Ornamentalen gehuldigt wird.
Zumindest war nie an eine musikalische Umsetzung literarischer Vorgaben gedacht. Ich vertraue statt­dessen auf eine subkutane, vielleicht erst beim zwei­ten Hören wahrnehmbare Affinität der Welten, der der literarischen Imagination und der musika­lischen, so daß vielleicht in glück­lichen Momenten nicht mehr feststellbar ist, wer wen beeinflußt oder gar dominiert und daß es auch ganz irrelevant ist, diese Frage beantwortet wissen zu wollen. Es sei denn, die Sprache samt der geschilderten Situation als Bild ist so mächtig wie bei Kafka, so daß die Musik natur­gemäß in ihren Strudel gerät und im Kiel­wasser bleibt. Aber auch insgesamt sollte das Wort, so einzeln und weitläufig verstreut, kostbar wie eine Perle wirken. Diesen Eindruck wünsche ich herbei in und durch die Zwischen­stücke. Dabei kommt Unforeknown - eine Hommage an den kürz­lich verstorbenen Michael Ham­burger und insbe­sondere seine Idee einer Chro­nik der Nicht­ereig­nisse - meiner Vorstellung von Meditations­musik recht nahe, wobei Meditation durchaus gemäß dem Ausspruch Übernatürliche Kraft, wundersame Aktivität: Wasser holen, Holz hacken** verstanden werden kann.

*aus: Warum Denken traurig macht von George Steiner

**Ausspruch des chinesischen Zen-Meisters PĀ“ang

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